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Reform der Unternehmenssteuer in den USA: Zu radikal um wahr zu werden ?

Die letzte große Steuerreform gab es in den USA unter Präsident Reagan mit dem Tax Reform Act 1986. Darin wurde auch die Unternehmenssteuer grundlegeng reformiert. Der Steuersatz wurde von 46% auf 34% ab 1988 gesenkt und die Steuerbasis verbreitert. In 1993 wurde der Satz unter Clinton wieder auf 35% angehoben. Die kräftige Steuersatzsenkung in 1988 hat das Aufkommen wegen der Verbreiterung der Steuerbasis nur wenig verändert. Seit mindestens zwei Jahrzehnten gibt es in den USA regelmäßig neue Vorstöße zu einer neuen Reform der Unternehmenssteuer, die neben einer Senkung des Steuersatzes vor allem auf eine Vereinfachung der mittlerweile extrem komplizierten Steuerberechnung zielen.

Zuletzt wurden von den Demokraten und den Republikanern letztes Jahr konkurrierende Vorschläge erarbeitet. Im Laufe des Präsidentschaftswahlkampfes wurden auch grobe Vorschläge von Donald Trump eingebracht, die aber bisher nicht mit Details aufgefüllt wurden. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Wochen die Regierung Steuerreformvorschläge vorlegen wird, über die dann im Laufe des Jahres Senat und Repräsentantenhaus beschließen müssen.

Bisherige Vorschläge zur Reform der Unternehmenssteuer in den USA

  • Steuersatz Körperschaftssteuer/pers. Einkommensteuer auf Gewerbeerträge
    Aktuell: 35%/max.39,6%

Obama Vorschlag: 20-25%/gleich Einkommensteuer
Rep. Partei: 20%/25%
Trump Wahlkampf: 15%/15%

  • Abschreibungssätze
    Aktuell: Beschleunigte Abschreibung mit 50% im 1. Jahr bis 2017, 40% in 2018, 30% in 2019

Obama Vorschlag: Erweiterung der Afa für kleine Unternehmen
Rep. Partei: Sofortabschreibung zu 100%
Trump Wahlkampf: optional Sofortabschreibung zu 100%

  • Steuer auf repatriierte Auslandserträge aus früheren Jahren
    Aktuell: 35%

Obama Vorschlag: 14%
Rep. Partei: 8,75%, reduziert 3,5% auf reinvestierte Gewinne
Trump Wahlkampf: 10%

  • Steuersatz auf ausländische Erträge
    Aktuell: 35% bei Repatriierung

Obama Vorschlag: 19% Mindeststeuer
Rep. Partei: 0%
Trump Wahlkampf: 15% mit Anrechnung ausländischer Steuern

  • Zinsen auf Unternehmenskredite
    Aktuell: Unbeschränkt absetzbar

Obama Vorschlag: Beschränkung übermäßiger Zinsbelastung (earnings stripping)
Rep. Partei: Nicht steuerlich absetzbar
Trump Wahlkampf: Nicht steuerlich absetzbar, wenn  Sofortabschreibung zu 100% genutzt

  • Importe und Exporte
    Aktuell: normale Kosten/Erlöse

Obama Vorschlag: Keine Änderung
Rep. Partei: Importe nicht steuerrelevant/Exporte steuerfrei (border adjustment tax, BTA)
Trump Wahlkampf: nicht angesprochen

Der traditionelle Teil ….

Bezüglich der ersten drei Punkte – Steuer- und Abschreibungssätze – sind die Unterschiede der Vorschläge relativ gering und lassen einen für alle vertretbaren Kompromiss denkbar erscheinen. Die Erfahrung der Vergangenheit spricht jedoch leider dagegen. Es hat schon mehrere Reformanläufe mit relativ ähnlichen Vorschlägen gegeben, die dem politischen Streit zwischen den Parteien zum Opfer gefallen sind.

Sollten die Unternehmenssteuer trotzdem so ähnlich wie von der Republikanischen Partei vorgeschlagen verwirklicht werden, würde die Steuerbelastung in den USA von einem Spitzenplatz unter den Industrieländern unter den Durchschnitt, eventuell sogar in das untere Viertel fallen.

Die Erhöhung der Abschreibung auf 100% im ersten Jahr kompensiert zum Teil den verminderten Ertragsvorteil der Afa wegen der Steuersatzsenkung. Die Afa-Regeln sind in den USA sehr komplex (siehe: http://www.irs.gov/pub/irs-pdf/p946.pdf ). Zur Zeit können kleinere Unternehmen unter bestimmten Bedingungen Investitionen schon sofort im ersten Jahr abschreiben, größere Unternehmen maximal eine degressive Afa mit 50% nutzen.

Ein einfaches Beispiel einer Investition on 100 Einheiten beleuchtet den Zusammenhang.
Bisher: Afa 1. Jahr 50%; Steuerersparnis bei 35% Steuersatz: 17,5; Steuerersparnis Folgejahre: 17,5;
Barwert Ersparnis Zeitpunkt 0, Zins 2%: 33,2
Vorschlag: Afa 1. Jahr 100%; Steuerersparnis bei 20% Steuersatz: 20; Steuerersparnis Folgejahre: 0;
Barwert Ersparnis Zeitpunkt 0, Zins 2%: 19,4

Würden die alten Afa-Sätze beibehalten, würde sich im obigen Beispiel der Barwert der Steuerersparnis nur leicht auf 18,9 fallen. Hieran sieht man, dass die Sofortabschreibung bei niedrigen Zinsen nur wenig mehr Entlastung bringt. Da der Steuersatz gesenkt werden soll, wird gleichzeitig die Bedeutung von Abschreibungen in den Inestitionsrechnungen trotz Sofort-Afa reduziert. Insgesamt würde die Profitabilität nach Steuern der Unternehmen jedoch spürbar steigen. In wettbewerbsintensiven Branchen könnte die Steuersenkung auch zu Preissenkungen genutzt werden. Der Standort USA würde attraktiver.

… und der revolutionäre Teil

Die Reformpunkte 4) bis 6) würden die amerikanische Unternehmensbesteuerung radikal verändern. 
Im Unterschied zu fast allen anderen Ländern folgt sie bisher dem Ansatz einer globalen Besteuerung von Unternehmen mit Hauptsitz in den USA. Es wird aber ein großes Schlupfloch gelassen, indem die Steuer erst anfällt, wenn die Gewinne aus dem Ausland in die USA transferiert werden. Außerdem werden im Ausland schon gezahlte Gewinnsteuern angerechnet. Dies hat dazu geführt, dass im Ausland erzielte Gewinne eher dort akkumuliert werden anstatt nach Hause zu bringen. Es wird geschätzt, dass US-Firmen mittlerweile über USD 2.000 Mrd. im Ausland akkumuliert haben. Die Republikanische Partei schlägt vor, das Steuersystem den anderen Ländern anzugleichen, d.h. das sog. „Territorialprinzip“ einzuführen. Dies würde dann auf ein System hinauslaufen, dem z.B. auch Deutschland folgt. Ausländische Gewinne würden bei Vorliegen entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr der inländischen Körperschaftsteuer unterliegen.Ein stark reduzierter Steuersatz wäre ein Anreiz zu erhöhter Repatriierung. Zahlreiche Analysten haben hieraus schon eine Aufwertungstendenz für den US-Dollar abgeleitet. Wir sind diesbezüglich aber vorsichtig, da zu viele unbekannte Größen die Berechnung eines Wechselkurseffektes zu einem Ratespiel machen. Neben der Steuer entscheiden viele andere, nicht hinreichend bekannte ökonomische Überlegungen. Etwa die Hälfte der im Ausland thesaurierten Gewinne wird von nur ca. zwei Dutzend Firmen gehalten, die vornehmlich aus der Tech-Branche kommen wie Apple, Alphabet, Microsoft und Facebook. Auch wenn sich für eine Repatriierung entschieden wird, löst dies nicht zwangsläufig einen Währungstausch aus. Die Finanzmittel könnten von den ausländischen Firmentöchtern bereits in den USA angelegt worden sein oder aber auch im Ausland in Dollar gehalten werden.

Eine Senkung des Steuersatzes auf repatriierte Gewinne wäre grundsätzlich Dollar-positiv, würde sich aber über einen langen Zeitraum erstrecken und im Devisenmarkt wahrscheinlich kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Positiv könnte auch sein, dass bisher nur eingeschränkt einsetzbare Finanzmittel zur freien Verfügung stehen würden und für höhere Dividenden und Buybacks eingesetzt werden könnten. Beides wäre positiv für Aktien.

 

Die letzten beiden Punkte der Reformvorschläge zielen auf ausgesprochen radikale Veränderungen. Sowohl Zinsaufwendungen als auch Kosten für Importe und Exporteinnahmen nicht mehr in der Steuerberechnung zu berücksichtigen, würde Unternehmen sehr unterschiedlich treffen. Auf der Gewinnerseite wären primär eigenfinanzierte Firmen ohne importierte Inputs und mit hohem Exportanteil. Ihnen stünden trotz starker Senkung des Steuersatzes auf der Verliererseite Unternehmen gegenüber, die mit hohem Leverage operieren und viel importieren. Wir vermuten, dass die Verliererseite zahlenmäßig in etwa der Gewinnerseite entsprechen könnte.

Der kommende politische Kampf um die Steuerreform wird sicherlich hart – sowohl in der Öffentlichkeit als auch hinter verschlossenen Türen. Die Gegner werden darlegen, dass die Steuerreform zu Preiserhöhungen auf breiter Front führen wird. Schon alleine die Tatsache, dass fast 90% der in den USA verkauften Bekleidung und ca. die Hälfte des Ölverbrauchs importiert werden lässt erkennen, wie leicht sehr öffentlichkeitswirksame Kampagnen geführt werden können. Es werden auch viele Firmen vorgeführt werden, die wegen fehlendem Preisspielraum mit der Steuerreform in den Ruin getrieben werden und ihre Belegschaft entlassen werden müssen. Dem stehen bei einem Teil der US-Firmen höhere Gewinne nach Steuern gegenüber – auf Kosten höherer Verbraucherpreise und Entlassungen

Auf der anderen Seite wird man argumentieren, dass inländische Anbieter gegenüber Importen konkurrenzfähiger werden und amerikanische Exporte sich auf dem Weltmarkt mit der Steuerentlastung besser behaupten können. Höhere Gewinne sollten ausßerdem ein Anreiz für Investitionen und mehr Beschäftigung sein.

Nach der Wahl ist vor dem nächsten Wahlkampf

Am Ende werden das US-Repräsentantenhaus und der Senat über die Steuerreform entscheiden. Es bleibt eine offene Frage, wie geschlossen die republikanischen Abgeordneten und Senatoren in den anstehenden Ausschusssitzungen und Lesungen ihre Reihen halten können. Während sie im Repräsentantenhaus eine solide Mehrheit haben, sind sie im Senat nur mit 52:48 Stimmen in der Mehrheit.

Man muss daran erinnern, dass Präsident Trump bis zu seiner Nominierung zum Kandidaten von den meisten Kongressmitgliedern zum Teil heftig abgelehnt wurde. Da auch schon bald die Vorbereitungen für den nächsten Wahlkampf für die sog.“mid-term elections“ im November 2018 beginnen wird, in denen das komplette Repräsentantenhaus und 33 von insgesamt 100 Senatoren zur Wahl stehen, wird es wieder viele Ansatzpunkte für gezielte Lobbyarbeit geben.  Unter potenziellen Sponsoren der Republikaner gibt es bereits einflussreiche Stimmen wie die der Koch Brüder gegen die „border tax adjustment“.

Republikanische Partei ist kein Block

Es fällt auch auf, dass erste Gegenwehr aus dem Bereich der Gewinner kommt. Prominent ist die Kritik des Agrarhändlers Cargill, der als großer Exporteur stark profitieren würde. Cargill fürchtet zu Recht Vergeltungsmaßnahmen seitens seiner Abnehmerländer. Mit Einführung der „border tax adjustment“ ist in der Tat mit umfangreichen Gegenmaßnahmen zu rechnen, zumal sie sehr wahrscheinlich gegen WTO-Regeln verstößt (siehe http://www.ictsd.org/opinion/proposed-border-tax-adjustments-risk-violating-wto-rules ). Da ein wichtiger Teil der amerikanischen Exporte sich auf Flugzeuge und einige Agrargüter wie Mais, Soja und Getreide konzentriert, wären sie bevorzugtes Ziel von massiven Vergeltungszöllen. Die USA wären wahrscheinlich der größte Verlierer in einer solchen Auseinandersetzung (siehe: http://blogs.wsj.com/economics/2017/02/13/why-the-u-s-could-suffer-deeper-economic-shock-than-china-in-a-trade-war/ ).

Präsident Trump mag die „border tax adjustment“ nicht

Präsident Trump selbst hat sich bisher noch nicht positiv zu dem Thema geäußert. Im Gegenteil, sein einziger Kommentar lautete „every time I look at it, I don’t like it”. Es ist deshalb gut möglich, dass die BTA nicht in dem kommenden Steuerreformvorschlag erscheinen wird. Stattdessen wird man sich eher auf bilaterale „trade deals“ konzentrieren und zusätzlich den verbalen Druck auf Länder mit angeblich zu niedrigen Wechselkursen gegenüber dem US-Dollar erhöhen.

Defizite zu groß?

Damit würde aber dem Gesamtpaket, das auch eine Senkung der Einkommensteuer umfasst, eine große finanzielle Entlastung von geschätzten mindestens USD 100 Mrd. fehlen und entsprechend die Projektion der Staatsschulden um ein Drittel auf anfänglich USD 400 bis 500 erhöhen (2,5 bis 3,5% des BIP). Die Erhöhung des Defizits über 10 Jahre könnte dann bei über USD 6 Mrd. liegen, wenn sonst nichts verändert würde (siehe: http://www.taxpolicycenter.org/publications/fiscal-outlook-beginning-trump-administration ).

Der zweite hochumstrittene Reformvorschlag, Zinskosten nicht mehr vom Ertrag steuerlich absetzen zu können, ist ebenfalls ein Teil der eingeplanten Gegenfinanzierung innerhalb des Paketes. Sollte auch dieser Punkt abgeschwächt oder sogar gestrichen werden, dann wäre die Defizitwirkung nochmal viel höher. Wir fragen uns, wie die Republikanische Partei als traditionelle Anti-Defizit-Partei dann noch mit der im Senat nötigen Geschlossenheit  auftreten kann. Vor drei Jahren hat sie einen mehrwöchigen „shutdown“ der Regierung erzwungen, weil sie einer Erhöhung des Limits für die ausstehenden Schulden nicht zustimmen wollte.

Was kann man erwarten?

Für die Wirtschaft und Finanzmärkte wäre es am besten, wenn nur ein abgespeckter Vorschlag gemacht würde: Senkung des Unternehmenssteuersatzes bei gleichzeitiger Verbreiterung der Basis und die Umstellung auf das Territorialprinzip und eines ermäßigten Steuersatzes auf die Rückführung akkumulierter Auslandsgewinne mit insgesamt nur einer moderaten Erhöhung des Budgetdefizits. Die Aktienmärkte sollten dies positiv aufnehmen und der Druck auf Zinsen könnte moderat bleiben, da eine Erhöhung des Potenzialwachstums möglich wird und die unmittelbare pro-zyklische Wirkung klein ausfallen würde.

Sollte der Steuerreformplan eher dem Entwurf der Republikanischen Partei aus letztem Sommer entsprechen, dann ist mit eher negativen Reaktionen im Aktienmarkt zu rechnen, weil man einen Handelskrieg und gleichzeitig einen eskalierenden politischen Streit in den USA befürchten würde, der am Ende die gesamte Reform blockieren könnte. Es bleibt spannend!

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Author

Volkswirtschaftlicher Berater

Veröffentlicht am 15. Februar 2017