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Deutsche Wirtschaft: Die Lage ist besser als die Stimmung

Dass sich der deutsche Aktienmarkt gerade aufmacht, hinter ein trübes Börsenjahr zumindest einen positiven Schlusspunkt zu setzen, dürfte auch daran liegen, dass die deutsche Wirtschaft weitaus besser dasteht als es die schon beinahe depressiv anmutende Stimmung in den Unternehmen vermuten lässt. Eine miese Kauflaune der Verbraucher vor dem Weihnachtsfest, ein wegen gestiegener Zinsen implodierender Immobilienmarkt mit Untergangsstimmung in der Baubranche und Kostenexplosionen vor allem für energieintensive Bereiche malen derzeit ein düsteres Bild von Deutschlands Zukunft. Dabei gibt es auf der anderen Seite einige ganz interessante Zahlen und Indikatoren, die dafürsprechen, dass die aktuelle Lage nicht ganz so katastrophal ist wie die Stimmung im Land. Und dann ist da noch der „Doppel-Wumms“ aus dem Kanzleramt, der ebenfalls besser ist als sein Ruf und dafür sorgen dürfte, dass eine Rezession zwar kommt, aber Dauer und Tiefe positiv überraschen sollten.

So liegt zum Beispiel die Erwartungskomponente des jüngsten Ifo-Index aktuell auf dem niedrigen Niveau der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 und damit auch wieder unterhalb der Tiefs in der Finanzkrise. Die Stimmung speziell in der Bauindustrie und auf der anderen Seite das Verbrauchervertrauen sind ebenfalls auf negativen Extremen angekommen. 

Deutsche Wirtschaft bislang robust 

Gerade die Erwartungskomponente des Ifo-Index wies in der Vergangenheit einen recht guten Gleichlauf mit dem Jahreswachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf. Der letzte Wert von 75,6 Punkten ist dabei mit einem Rückgang des BIP um deutlich mehr als fünf Prozent kompatibel. Während der Index allerdings schon länger eine Schrumpfung der Wirtschaft indiziert, präsentiert sich die deutsche Wirtschaft bislang relativ robust gegenüber den externen Schocks. Das Jahreswachstum lag zuletzt bei 1,2 Prozent und das dritte Quartal überraschte sogar mit einem Plus von 0,3 Prozent im Vergleich zur Vorperiode. Die Diskrepanz zwischen der Stimmung und der tatsächlichen Entwicklung zeigt sich auch in der rekordhohen Differenz zwischen der Erwartungskomponente und dem Index für die Lagebeurteilung von aktuell 18,5 Punkten.

Der LKW-Maut-Index macht Hoffnung

Die Lage in der Industrie ist derzeit zwar sehr herausfordernd, aber eben nicht katastrophal. Der Rückgang der Produktion in diesem Jahr ist ausschließlich auf die energieintensiven Branchen (Chemie, Metalle, Papier, Keramik) zurückzuführen, deren Leistung sich um elf Prozent reduziert hat. Der Output in anderen Branchen zeigt sich im Jahresverlauf bislang stabil. Sehr zuverlässig und frühzeitig ungefähre Anhaltspunkte zur Entwicklung der deutschen Industrieproduktion liefert der LKW-Maut-Index. Viele Güter, die für die Industrieproduktion wichtig sind, werden in Deutschland per Lastwagen transportiert. So spiegelt der Maut-Index die Abschwächung der Industrieproduktion auch in diesem Jahr sehr genau wider. Aktuell zeigt er jedoch keinen weiteren Einbruch an, sondern im Gegenteil eine Stabilisierung. So ist der Index von seinem Tief von minus 1,3 Prozent Mitte August wieder leicht in den positiven Bereich zurückgekommen. Damit deutet er aktuell auf keine zusätzliche Verschlechterung der Industrieproduktion hin. 

Gründe dafür sind die weiterhin historisch sehr hohen Auftragsbestände in der Industrie mit einer Reichweite von acht Monaten. Auch die Auftragseingänge aus dem Ausland sind zuletzt zwar gefallen, liegen aber immer noch auf einem höheren Niveau als vor einem Jahr, insbesondere jene von außerhalb der Eurozone. Dies deutet darauf hin, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt trotz der hohen Energiepreise weiterhin gegeben ist, dem schwachen Euro sei Dank.

Existenzangst nur in Teilbereichen hoch

Auch die jüngste Ifo-Umfrage zu den Existenzgefährdungen spricht dafür, dass die aktuell depressive Stimmung in der Wirtschaft schlechter ist als die Lage. So sehen sich branchenübergreifend gegenwärtig 7,5 Prozent der Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet. Das ist zwar ein leichter Anstieg gegenüber der Umfrage aus dem Frühjahr, aber immer noch der zweitniedrigste Wert seit dem Ausbruch der Pandemie. Die größten Probleme zeigen sich im Einzelhandel. Die Nachwirkungen aus der Pandemie, die sehr schlechte Konsumentenstimmung und der Strukturwandel sind hier starke Belastungsfaktoren. 

Aufgrund der Energiekrise wenig überraschend haben die Existenzgefährdungen auch im verarbeitenden Gewerbe zugenommen. Allerdings bleiben sie deutlich hinter den Niveaus der Pandemie zurück, und verglichen mit der generell schlechten Stimmung ist der Anstieg moderat. Deutlich gestiegen sind die Existenzgefährdungen im Baugewerbe. Hier machen sich neben der schlechten Konsumstimmung vor allem die stark gestiegenen Zinsen negativ bemerkbar. Ein Rückgang der Bautätigkeit über die nächsten Quartale hinweg ist zu erwarten. Hingegen hat sich die Lage bei den Dienstleistungsunternehmen in diesem Jahr deutlich verbessert. Sahen sich zu Jahresbeginn noch 20 Prozent in ihrer Existenz gefährdet, sind es jetzt nicht mal mehr halb so viele. Dies dürfte eine Folge davon sein, dass es trotz hoher Corona-Fallzahlen aktuell deutlich weniger einschränkende Maßnahmen gibt und entsprechend die Nachfrage nach Dienstleistungen steigt.

Der „Doppel-Wumms“ ist besser als sein Ruf

Nicht zu vergessen sind die massiven staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. So hilft der Staat mit der Gaspreisbremse Haushalten und Unternehmen mit rund 100 Milliarden Euro, was rund drei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Die Ausgestaltung führt zu deutlichen Entlastungen, behält aber die Anreize zum Energiesparen bei. Weil die Unterstützungen bis ins Frühjahr 2024 hineinlaufen, bekommen gerade Unternehmen Planungssicherheit. Zudem gleicht der Staat die kalte Progression im nächsten und übernächsten Jahr aus und erhöht das Kindergeld und den Kinderfreibetrag. Das entsprechende Entlastungsvolumen liegt bei rund 33 Milliarden Euro und dürfte so die realen Kaufkraftverluste spürbar mildern. Zu guter Letzt sind die Energiepreise in den vergangenen Wochen wieder deutlich gefallen, und hier nicht nur die Spot-Preise, sondern auch die Forward-Preise, wenn auch weniger stark.

Fazit: Rezession ja, aber Zusammenbruch nein 

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation die Konsumlaune der Haushalte, die gestiegenen Zinsen die Bautätigkeit und die hohen Energiekosten vor allem die energieintensive Industrie belasten. Damit wird sich zwar eine Rezession kaum vermeiden lassen. Allerdings ist die Stimmung aktuell deutlich schlechter als die tatsächliche Lage, weshalb eine Rezession in Deutschland relativ mild ausfallen sollte. 

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